Gerd Große-Von Delitzsch nach Brandis im Jahre 1964 – Erinnerungen
„Nach Brandis, wo liegt denn das?“ An einem Sonnabend Anfang Mai 1964 ging es zum Rückspiel Lok Delitzsch II gegen die bereits aufgestiegenen Stahlwerker von „Stahl“ Brandis. Mit dem planenbedeckten LKW der Marke H3 a ging es auf die Reise. Die Spannung war raus, Brandis aufgestiegen, Delitzsch im sicheren Mittelfeld. Was uns in Brandis erwartete, überraschte dann doch, der wohl gepflegteste Rasenplatz im Bezirk Leipzig. Da macht das Fußballspiel schon vor dem Anpfiff Spaß. Aber zunächst stand eine Würdigung der Aufstiegshelden an. Mit herzlichen Worten bedankte sich der langjährige Sektionsleiter der Brandiser, Fritz Sommer, bei seinen Blau-Gelben -Helden . Noch ein Sträußchen Vergißmeinnicht aus den Händen der Nachwuchskicker und das Spiel begann. Beeindruckend war die Kulisse von wohl 500 Zuschauern, die ihre Aufsteiger anfeuerten. Am Ende stand ein gerechtes 1:1 auf dem Spielbericht dieses bedeutungslosen Spiels. Halt, halt, ganz so bedeutungslos sollte es dann doch nicht bleiben, zumindest nicht für drei Delitzscher Spieler und ihren Trainer Rolf Rößler. Mit Beginn der neuen Serie verstärkten die Spieler Hans Theile, Gerd Große und Dieter Perschke das nun von Rößler trainierte Team der Brandiser. Keine einfache Sache für mich. Zunächst hieß es: 5 Uhr raus, von Delitzsch nach Leipzig, dann weiter zur Ausbildung nach Böhlen und abends von Böhlen zum Training nach Brandis und mit dem letzten Zug, dem “ Lumpensammler“ zurück nach Delitzsch. Wie oft ich im Zug eingeschlafen bin, um dann in Bitterfeld aufzuwachen weiß ich nicht mehr, aber es war nicht selten. Als damals 20-jähriger Jungspund musste ich mich natürlich hinter so gestandenen Spielern wie Günter Landschreiber, Klaus Werner, Gerhard(Freddy) Pankonin, Jürgen Hildebrand oder Gerhard Antonin anstellen, um in die Mannschaft zu kommen. Ich hatte schon eine zweijährige Bezirksligaerfahrung, andere Brandiser spielten aber auch schon in der 2.Liga! In der Bezirksliga liefen 11 Spieler auf und mussten durchspielen, Auswechslungen standen satzungsgemäß nicht an, dafür durften wir in der II. ran, die, so gut bestückt, bald darauf sogar den Kreismeistertitel gewann und den Kreis Wurzen im FDGB-Bezirkspokal repräsentierte. In unserer 2. Herrenmannschaft tummelten sich zahlreiche Talente, die sich auf ihren Einsatz in der1.Mannschaft vorbereiteten.
Auf dem Brandiser Sportplatz“ Freundschaft“ trafen sich Woche für Woche mehr als 500 Zuschauer aus Brandis und den Nachbarorten. Als Aufsteiger gelang uns eine bemerkenswerte Serie. Das Ziel Klassenerhalt wurde sicher erreicht. Wir waren nicht die Mannschaft mit den filigransten Techniker, aber kämpfen konnten wir bis zum Schlusspfiff und das begeisterte die zahlreicher Fans. Das erste Kreisderby zwischen Stahl Brandis und Empor Wurzen legte eine Spannung über die Stadt, die mit Händen zu greifen war. Mich, als “ Nochdelitzscher“, ließ das völlig kalt. Stadtderbys zwischen Lok und Traktor Delitzsch hatten auch in der Bezirksliga Leipzig etwas Besonderes. Als 18-jähriger trug ich das schwarz- rot der Eisenbahner im Stadtderby 1962 und das vor mehr als 3000 Zuschauern! Heute besuchen auch die Delitzscher Bezirksligaspiele kaum mehr als 100 Unentwegte. Das erste Kreisderby lockte aus der ganzen Umgebung Fußballbegeisterte nach Brandis. Der Kassenwart vermeldete mehr als 1300 Zuschauer! Das Spiel fand keinen Sieger, war aber trotz des torlosen Unentschieden spannend bis zur letzten Minute. Zum Rückspiel lasen wir im Wurzener Stadionheft über das Spiel:“ Die Bäume rund um den Brandiser Sportplatz können ein Lied von der Brandiser Spielweise singen.“ So etwas stachelt an. „Dann werden wir heute mal zeigen, wie wir spielen!“ Am Ende musste sich der Favorit und Titelaspirant mit einem für ihn schmeichelhaften 1:1 zufrieden geben. Die Glücklichen waren wir und stolz obendrein. Glücklich und stolz auch am Ende des Spieljahres 1964/1965 . Mit Platz 9 war mehr als erwartet erreicht. Ein weiteres Bezirksligajahr stand an. Brandis wurde in den Folgejahren eine gute Adresse für Spieler aus der gesamten Region. So kamen unter anderen aus Holzhausen Manfred Deunert, aus Wurzen Wolfgang Barchewitz, aus Ammelshain Klaus Heller, aus Beucha Lothar Taubert, aus Altenbach Tomas Reichenbach. Brandis war eben eine gute Adresse. Da waren wir wohl die erste Truppe in der Bez.Liga, die mehrheitlich aus auswärtigen Spielern bestand. Wenn wir zu unseren Spielen fuhren, starteten in Brandis oft nur 5-6 Spieler, die anderen stiegen unterwegs zu. Da war schon immer vor dem Spiel viel Spannung in der Luft, denn handys gehörten noch nicht zu unserer Ausrüstung. Auch unser Trainer, Rolf Rößler, wurde meist erst in Leipzig aufgelesen. Zum Spiel in Zechau gab es wohl eine Informationslücke. Der Trainer war nicht am vereinbarten Treffpunkt, die Zeit war knapp und wir bald ohne Trainer unterwegs. Der Erfahrendste, der „Lander“, übernahm die Aufgabe. Gerade als Rößler nach 30 Minuten den Zechauer Sportpaltz erreichte kassierten wir den Rückstand. Die Wut entwich jedoch recht schnell, denn unsere Dauertorschützen, die „Minne“ und „Spittel“ retteten uns den Sieg. Entspannung gab es dann mit dem Jahrgang `50. Die gute Nachwuchsarbeit zahlte sich endlich aus. Der legendäre Jahrgang brachte mit Günter Kögler, Wolfgang Gutmann, Hubert Hahn, Ernst Voigt, Werner Lindenhain Spieler hervor, die sofort in der Bezirksliga spielten, sehr erfolgreich und über viele Jahre. Brandis blieb eine gute Adresse, aber auch für andere Vereine. So verließen unsere größten Talente, Günter Kögler und Hubert Hahn unseren Verein in Richtung 2. Liga und gehörten auch dort zu den Stammspielern.
Erst die Liebe ließ mich vom “ Delscher“ zum “ Brandser“ werden. So konnte ich am 31. Juli 2014 meine 50- jähriges Mitgliedschaft im Brandiser Fußballverein feiern – Ein Jubiläum, das mich stolz macht!